Samstag, 12. Dezember 2015

Adventskalender - Türchen Nr. 12



Konzert
von Insa Segebade
Am Dienstag ist es wieder soweit. Der Botschafter steigt aus den Höhen des Vatikans herab, um mit Mercedes und Leibwächter bei der Villa Massimo vorzufahren. Durch den von Zypressen umsäumten Kiesweg, der von dickbäuchigen Vasen aus Ton flankiert wird. In runden Schalen brennen Feuer, die flackernde Schatten auf den Skulpturenpark werfen. Die Figuren aus weißem Marmor schimmern matt im Dunkeln. Von Moosen und Flechten überwuchert, wirken die Statuen bei Tageslicht weniger erhaben und majestätisch. Da fällt auf, dass dieser Dame die Nase fehlt, jener ein Auge, einer anderen gar der ganze Kopf.
Die Musiker demonstrieren dem Publikum, wie schrill eine Querflöte klingen kann und dass auch eine nette Klarinette problemlos die Grenze menschlichen Schmerzempfindens überschreiten kann. Die Erwachsenen halten sich wacker. Die Kinder sind ehrlicher. Erst lachen und grinsen sie. Dann hält sich der Achtjährige die Ohren zu und verzieht das Gesicht. Das sechsjährige Mädchen schaut flehend seinen Vater an. Der zeigt sich einsichtig. Nach der Pause bleiben ihre Plätze leer. Auch der des Botschafters. Ein wichtiger Termin, Sie verstehen. Der Rest versucht, gelassen, dabei höchst interessiert auszusehen. In Gedanken schon beim kalten Büfett, das als Belohnung im Foyer wartet.
Der Dicke mit dem Stoppelhaarschnitt in der bayerischen Lederhose macht ein Schläfchen. Wenn es den anderen in den Ohren schmerzt, macht er eine unwirsche Bewegung mit der Hand, als verscheuche er eine Fliege, die zu dicht vor seinem Gesicht fliegt. Dann kippt das Doppelkinn wieder auf den buntbestickten Kragen seiner Trachtenjacke. Er ist zu beneiden, dieser Mensch.

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