Sonntag, 16. März 2014

Sonntagstext - 16. März 2014




Moderne Lyrik

Kurz-Essay von Reinhard Mermi


Würde ich versuchen, meine Lyrik einem strengen Formalismus unterzuordnen, dann würde ich keinen lyrischen Text mehr zustande bringen – ja wäre blockiert. Gerade die Sonettform ist es, mit "ihrer belehrenden Erkenntnis", die mir „gegen den Strich geht“. Soll ich mich zum Schulmeister oder Besserwisser aufschwingen, der dem Leser seine Meinung als die einzig wahre verkaufen will?

Die alther gebrachten Gedichtformen sind nicht mehr zeitgemäß. Es widerspricht dem modernen Selbstverständnis des Lyrikers als dichtende Intelligenz, Operateur, Werkzeug und Geburtshelfer. Frei nach Friedrich ist der Lyriker ein „...Künstler, der die Verwandlungsakte seiner gebieterischen Phantasie oder seiner irrealen Sehweise an einem beliebigen, in sich selbst bedeutungsarmen Stoff erprobt“; der seinem Werk gegenüber auch eine distanzierte, ja kritische Haltung einnehmen kann. Moderne Lyrik ist nicht romantisierend, nicht Sprache des Gemüts. Damit wird auch die „kommunikative Wohnlichkeit“ im modernen Gedicht vermieden. Lyrik sieht ab von der Humanität im herkömmlichen Sinne, vom „Erlebnis“ und der „Gefühlsbetontheit“.

In der Welt, in der wir leben, nehmen die Fragen ständig zu - und die Antworten – die persönlichen Erkenntnisse – im selben Maße ab. Jeder von uns ist Laie, ein Unwissender auf vielen, ja den meisten Gebieten; Vieles – fast Alles – entzieht sich unserem persönlichen Erfahrungsschatz, verstehen wir nicht. So kann moderne Lyrik nur beschreiben, umschreiben, ahnen, erfühlen, fragen, und der einzelne Leser wird in einem oder anderem Falle vielleicht eine Antwort, seine (persönliche) Interpretation finden.



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